200 Jahre Marx und kein Ende in Sicht. Vier Tage lang – vom 3. bis zum 6. Mai – nähert sich eine Stadt einem Phänomen: Jena sieht, hört und streitet sich um die Idee einer gerechten Gesellschaft nach Marx. Hier wurde Karl Marx promoviert; hier wurde vom Sozialismus geträumt; hier wurde in diesen Namen eine Diktatur errichtet und gestürzt. Ideen vom Sozialismus erscheinen einerseits vergangen und überholt, andererseits erfahren sie gerade in den letzten Jahren eine Reaktualisierung. Ist der Sozialismus am Ende oder kein Ende sozialistischer Alternativen in Sicht? Spannende Antworten verspricht das wissenschaftlich-künstlerische Symposium in Jena.
Wissenschaftlich-künstlerisches Symposium zur Geschichte und Idee des Sozialismus aus Anlass des 200. Geburtstages von Karl Marx
Im Mai 2018 kommen in Jena Künstlerinnen und Künstler, politische Akteure sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen, die sich mit Ursprung und Fortbestand, mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Ideen des Sozialismus beschäftigen. Sie veranstalten ein Symposium der experimentellen Art – ein Symposium künstlerischer Forschung und wissenschaftlicher Artistik, an dem die Öffentlichkeit immer Anteil nehmen kann. Beim Abendessen in der Volksküche, bei Ausstellungen, im Theater, beim Film oder bei Konzerten begegnen sich diejenigen, die in den einzelnen Veranstaltungen verschiedene Aspekte der Idee beleuchten, hinterfragen und diskutieren: Zuhörer und Vortragende, Publikum und Künstler, Teilnehmer und Kooperationspartner.
Die Frage nach der gerechten oder besseren Gesellschaft treibt viele um. Antworten werden gewälzt im Roman oder im Film, auf dem Theater oder in Musik und bildender Kunst, in Politik und Wissenschaft. Karl Marx inspiriert und prägt bis heute eine Vielzahl solcher Auseinandersetzungen. Seinen 200. Geburtstag nehmen die Initiatoren von JenaKultur und der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Anlass, Ideen einer gerechten Gesellschaft in Gegenwart und Vergangenheit künstlerisch und wissenschaftlich zu durchleuchten.
Das Programm, bestehend aus 19 Einzelveranstaltungen und drei Ausstellungen, vereint Themen und Personen mit Jena-Bezug, aber auch darüber hinaus. In niedrigschwelligen und gelegentlich auch breitenwirksamen Formen wird die Annäherung an Marx und an Ideen einer gerechten Gesellschaft aus ganz unterschiedlichen Perspektiven ermöglicht.
Schon der Auftakt am Donnerstag, 3. Mai, gleicht einem Paukenschlag: Erstmals seit 1992 verlässt die Marx-Büste von Will Lammert das Depot der Universität Jena. Sebastian Jung stellt in einer temporären künstlerischen Intervention (bis 5. Mai zu besichtigen) die Büste im »La Dolce Vita«-Bereich der »neuen mitte« wieder auf, einen Einführungsvortrag hält die Kunsthistorikerin Verena Krieger um 18.00 Uhr. Im Anschluss finden sich ab 19.00 Uhr alle Interessierten und Beteiligten im Theaterhaus zu einem »Essen für Alle!« ein – die Kontroverse um Marx möge beginnen. Der Donnerstagabend wird ab 21.00 Uhr mit einem Konzert von Rebeca Lane aus Guatemala abgerundet: Mit HipHop gegen Unrecht.
Am Freitag, 4. Mai, gehen die Blicke zurück. Der zweite Tag des Symposiums beginnt um 10.00 Uhr mit Vorträgen prominenter Historikerinnen und Historiker in den Rosensälen der Universität: Christina Morina, Gerd Koenen und Ilko-Sascha Kowalczuk werden in Rückblenden die Ideen von Marxismus, Sozialismus und Kommunismus unter die Lupe nehmen. Nun war Marx in erster Linie ein Wahrheitssuchender, allerdings einer, der gerne zwischen den Stühlen sitzt. Deswegen lädt das Institut für Philosophie zu philosophischen Tischgesprächen über Marx bei Essen und Getränken ein: Als Experten entfachen und begleiten Andrea M. Esser, Klaus Vieweg, Sebastian Bandelin, Marcus Leuoth, Chris Weinhold und Peggy H. Breitenstein die Debatten. Im Anschluss (14.30 Uhr) thematisiert die Historikerin Katharina Lenski den staatssozialistischen Marxismus und die Staatssicherheit an der Jenaer Universität. Es folgen um 15.45 Uhr drei biografische Rückblenden mit Margret Franz, Achim Hoffmann und Jörg Reichelt über das alltägliche Leben in der DDR: Der Moderator Jonas Zipf konnte drei bisher kaum gehörte Stimmen gewinnen, die Einblicke gewähren in ihr Handeln und Zögern, ihre Wünsche und Enttäuschungen, ihr je subjektives Empfinden und Denken. Schnurstracks geht es von den Rosensälen dann weiter in das Historische Rathaus, denn dort wird um 18.00 Uhr eine imposante Ausstellung eröffnet: DYSTOPIA. Zum 200. Geburtstag von Karl Marx. Der Kurator der Kunstsammlung Jena, Erik Stephan, hat nicht nur eine beeindruckende Schau erstellt, sondern u. a. auch mit Raul Zelik einen profunden Marx-Kenner zur Eröffnung eingeladen. Im Anschluss gastiert ab 19.30 Uhr im Theaterhaus Jena die Gruppe »Showcase Beat le Mot«. Sie zeigen »Animal Farm« nach George Orwell. Für die Eulen der Nacht gibt im Kino am Markt um 22.00 Uhr den Klassiker »Der geteilte Himmel« von Konrad Wolf.
Am Samstag, 5. Mai, richten sich die Blicke auf die Gegenwart der Ideen einer gerechten Gesellschaft. Unter der Fragestellung »Gesellschaftsanalyse nach Marx: What‘s wrong with capitalism?« analysieren ab 10.00 Uhr die bekannten Soziologen Klaus Dörre, Stephan Lessenich und Hartmut Rosa die Struktur, Funktionsweise und die Folgen kapitalistischer Gesellschaften. Was eine »gerechte Gesellschaft nach Marx« für uns heute bedeuten kann, wird ab 14.00 Uhr mit politischen Aktivisten aus Brasilien, Griechenland, den Niederlanden und der Schweiz diskutiert. In einer Podiumsdiskussion wird um 17.30 Uhr das Gedenken an Marx in der Stadt Jena betrachtet. Die Kontroverse um die Marx Büste von Will Lammert – siehe oben – nimmt an Fahrt auf, und wer weiß: Vielleicht gibt es erfrischende Ideen, wie man mit einem Meisterdenker umgehen soll, der zum Herrschaftssymbol in der DDR verkommen ist? Wer am Freitag nicht dazu kam, die Aufführung von »Animal Farm« zu sehen, sollte am Samstagabend um 19.30 Uhr ins Theaterhaus. Dann gastieren »Showcase Beat le Mot« mit dieser mehrfach ausgezeichneten Produktion das letzte Mal in Jena. Als Alternative bietet sich ein Blick nach Lateinamerika an: Landolf Scherzer liest um 19.30 Uhr aus »Buenos días, Kuba: Reise durch ein Land im Umbruch« in der Ernst-Abbe-Bücherei. Der Abend endet im Kino am Markt: Dort wird ab 22.00 Uhr ein weiterer, leider in Vergessenheit geratener Klassiker gezeigt: »Eins, Zwei, Drei« von Billy Wilder. Prädikat: Sehenswert!
Der letzte Tag des Symposiums steht unter der Fragestellung „Wie wollen wir leben?“. Dieser Frage widmen sich am Sonntag, 6. Mai, ab 11.00 Uhr der Circus MoMoLo aus Jena und der Circus Zonder Handen aus Belgien, indem sie in unterschiedlichen zirzensischen Aktivitäten »Alternative Realitäten« erschaffen. Eine Podiumsdiskussion mit Silke Helfrich, Uwe Cantner, Frank Ettrich und Theodoros Paraskevopoulos resümiert und beschließt dieses Symposium. Gemeinsam mit seinen Gästen geht der Moderator Jonas Zipf ab 13.00 Uhr der Frage nach, ob Ideen vom Sozialismus, so oft missbraucht und bekämpft, auch heute noch einen sinnvollen Beitrag liefern können: Einen Beitrag zu Alternativen, Hoffnungen und Visionen einer Gesellschaft, die ein solidarisches Miteinander zum Wohle und zur Emanzipation eines jeden Menschen zum Ziele hat. 200 Jahre Marx und kein Ende in Sicht.
Neben der Präsentation der Marx Büste in der neuen mitte und der DYSTOPIA-Schau in der Kunstsammlung Jena wird das Symposium um drei weitere Ausstellungen bereichert.
Die Ausstellung »Masse Marx« von Babette Forster versammelt diverse Gegenstände aus der Sammlung der Kustodie der FSU Jena, die in der einen oder anderen Form das Konterfei des Philosophen tragen: Gemälde, Druckgrafiken und Massenware wie Medaillen, Gedenkmünzen und Orden werden im Ausstellungskabinett im Hauptgebäude der Universität Jena, Fürstengraben 1 gezeigt. Die Ausstellung im Ausstellungskabinett des Universitätshauptgebäudes ist geöffnet am 3.Mai von 16-18 Uhr, am 4. Mai von 12-16 Uhr, am 05. Mai von 16-20 Uhr, am 07. Mai von 12-15 Uhr, am 08. Mai von 10-13 Uhr, am 09. Mai von 12-15 Uhr, am 10. Mai von 15-18 Uhr und am 11. Mai von 10-15 Uhr. Eintritt ist frei, wie auch die Broschüre, die zur Ausstellung erscheint und die Exponate kurz vorstellt.
Gerd Koenen ist nicht nur als Vortragender auf dem Symposium am Freitagvormittag vertreten, auch seine Posterausstellung »Der Kommunismus in seinem Zeitalter« kann im Anbau Volksbad, Knebelstraße 10 betrachtet werden. Die Ausstellung ist während des Symposiums am 3. Mai von 8-18 Uhr und am 4. Mai von 8-16 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Weiterhin gastiert die Ausstellung »Karl Marx in der DDR. Bilder eines "Klassikers" im SED-Staat« in der Rathausdiele Jena, Markt 1. Die von Thomas Kramer entwickelte Schau geht dem Kult und den damit einhergehenden Verfälschungen zu Leben und Werk von Karl Marx nach und beleuchtet auf eindrucksvolle Weise, wie davon auch sein Wegbegleiter Friedrich Engels und seine Frau Jenny Marx betroffen waren. Der Eintritt zur Ausstellung im Historischen Rathaus ist frei, zu sehen ist am 3. Mai von 9-12 Uhr und von 14-16 Uhr, am 4. Mai von 9-12 Uhr, sowie am 5. und 6. Mai von 10-15 Uhr.
Das Symposium ist eine Veranstaltung von JenaKultur in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU), dem Theaterhaus Jena, dem Circus MoMoLo, Kassablanca Gleis 1 e. V. sowie FILM e. V. Jena.
Insbesondere danken wir für die gemeinsame Realisierung der DFG-KollegforscherInnengruppe „Postwachstumsgesellschaften“, dem Institut für Philosophie, dem Seminar für Kunstgeschichte und Filmwissenschaft sowie dem Schreibzentrum der FSU. Das Symposium wird gefördert durch die Stadt Jena, die FSU, die Thüringer Staatskanzlei, die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen sowie das Nationale Performance Netzwerk und wird unterstützt durch die Thalia Buchhandlung, die neue mitte jena sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen.
Jonas Zipf, JenaKultur: jonas.zipf@jena.de // Tel: 03641 / 49-8000
Gösta Gantner, Projektleitung: me@goesta-gantner.de // Mobil: 0175 333 4160
Birgit Liebold, JenaKultur: birgit.liebold@jena.de // Mobil: 0173 9140817
Axel Burchardt, Pressesprecher der Friedrich-Schiller-Universität Jena:
axel.burchardt@uni-jena.de // Tel.: 03641 / 931031
Christine Schickert, DFG-KollegforscherInnengruppe „Postwachstumsgesellschaften“: christine.schickert@uni-jena.de