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Bauhaus in Jena

Gedeckter Tisch mit SCHOTT Jenaer GLAS  ©SCHOTT Archiv
Mensa am Philosophenweg  ©JenaKultur, Candy Welz

Die Spurensuche zum Thema 'Bauhaus in Jena' ist nicht immer ganz einfach. Deshalb wurden die wichtigsten Bezüge hier zusammengetragen. Sie geben Orientierung, beleuchten Hintergründe, laden aber – über das 100. Bauhausjubiläum hinaus – vor allem zur ertragreichen Weiterbeschäftigung ein.

Bauhaus in Jena? Bauhaus in Jena.

Dexelsäule ©JenaKultur, C. Häcker

Die von Walter Gropius mit dem "Staatlichen Bauhaus" in Weimar begründete Kunstschule setzte bis heute wirkende Impulse in Kunst, Architektur, Gestaltung und Pädagogik, vielleicht weil diese Ideenschmiede eben auch dezidiert auf die "Gestaltung von Lebensvorgängen" (Walter Gropius) zielte und damit ein neues, modernes Lebensgefühl transportierte. Bauhaus spaltet gleichwohl bis heute die Gemüter. Die einen finden das Zusammendenken von Kunst und Kunsthandwerk frevelhaft, andere genial.

Jena hat wie so oft in der Geschichte in all diesen Prozessen bestenfalls eine Nebenrolle gespielt. Aber wie man weiß, erhalten manchmal auch die Schauspieler mit Nebenrollen Oscars. Jena war für die Avantgardekünstler am Weimarer Bauhaus extrem wichtig. Jena war sozusagen die verlängerte Werkbank, das Experimentierfeld, das Laboratorium. Hier wurden viele Bauhaus-Ideen erstmalig umgesetzt. So kann man zahlreiche Zeugnisse des Neuen Bauens bis heute in Jena finden: Haus Auerbach, Villa Zuckerkandl, Abbeanum usw. sind Beispiele hierfür. Markante Gebrauchsgegenstände gingen in Jena in Serie und faszinieren in ihrer schlichten Zweckmäßigkeit bis heute. Man denke an die Sintrax-Kaffeemaschine oder die Wagenfeld-Kanne. Letztlich wäre Dexels Idee der Lichtwerbung, der dreidimensionalen beleuchteten Plakate, erstmals für den Jenaer Holzmarkt gedacht, ohne den Humus des Bauhauses nicht aufgegangen.

All dies lädt zu einer Entdeckungstour ein. Viele Bauzeugnisse können aber in der Regel nur von außen betrachtet werden, da sie nach wie vor den Zweck erfüllen, für den sie ursprünglich geschaffen wurden: fürs Wohnen bzw. fürs Lehren und Forschen.

Die Spurensuche ist deshalb nicht immer ganz einfach. Deshalb wurden die wichtigsten Bezüge hier zusammengetragen. Sie geben Orientierung, beleuchten Hintergründe, laden aber - über das 100. Bauhausjubiläum hinaus – vor allem zur ertragreichen Weiterbeschäftigung ein.

Viel Vergnügen dabei.

Dr. Thomas Nitzsche
Oberbürgermeister der Stadt Jena

Haus Auerbach – Hochformat ©JenaKultur, Candy Welz

Lange bevor sich das Bauhaus 1919 in Weimar gründete, machte der Jenaer Kunstverein die späteren Bauhausmeister Paul Klee und Wassily Kandinsky einem breiten Publikum mit Einzel- und Gruppenausstellungen bekannt. Auch wenn sich die bildungsbürgerlichen Kunstgemüter anfangs über die gegenstandslose Malerei erregten, entwickelten sich über die Jahre freundschaftliche Beziehungen und Verständnis. Gefeiert wurde Klees Vortrag Über moderne Kunst, den er anlässlich einer Ausstellung im Prinzessinnenschlösschen 1924 hielt und in dem er erstmals über seinen Schaffensprozess und seine künstlerischen Intensionen sprach. Ideengeber für das ambitionierte Programm war Ausstellungsleiter Walter Dexel – ein Kunsthistoriker und Künstler, der sich als Mitgestalter eines umfassenden Kulturbegriffs sah. Dexel kam durch eine Heirat von München in die Saalestadt. Bereits 1914 hatte er sich den Pariser Kubisten und Futuristen angeschlossen. Wenig später erweiterte sich sein Freundeskreis um Dadaisten wie Kurt Schwitters, Tristan Tzara, Hans Arp, László Moholy-Nagy und die De Stijl-Gruppe um Theo van Doesburg. Dass es ausgerechnet die Werbung war, mit der er nach seinem Abschied vom Bildermalen in den 1920er Jahren den größten künstlerischen Erfolg hatte, ist der Neuartigkeit der gestalterischen Mittel geschuldet. Er kreierte dreidimensionale Leuchtobjekte, die in Jena stadtbildprägend wirkten.

Das Ausstellungsverzeichnis des Kunstvereins enthält neben Klee und Kandinsky nahezu alle Namen der am Bauhaus in Weimar tätigen Meister. Als 1924 von Regierungsseite zum Generalangriff auf das Bauhaus geblasen wurde, beschloss Dexel, das gesamte Jahresprogramm mit ihren Arbeiten zu bestücken. Dabei erweiterte sich die traditionelle Ausstellungskultur um Baukunst, Fotografie, Design und Bühnenbild.

Neben den Künstlern wurden aber auch die Architekten vom Bauhaus in Jena geschätzt. Walter Gropius erhielt seinen ersten öffentlichen Bauauftrag in Thüringen 1921 für den Umbau des hiesigen Stadttheaters. Unter Mitwirkung von Adolf Meyer schuf er einen kubischen Baukörper. Das neuartige Gebäude faszinierte das Ehepaar Anna und Felix Auerbach offenbar so sehr, dass sie ein privates Wohnhaus bei Gropius in Auftrag gaben. 1927 ließ sich die aus Wien stammende Therese Zuckerkandl von ihm unter den Sonnenbergen ebenfalls ein funktionales Wohnhaus projektieren. Ein Wohnhaus für Familie Dexel, das Adolf Meyer entworfen hatte, kam nicht zur Ausführung, weil die Verwaltung die Baugenehmigung verweigerte. Doch in der Folgezeit wurden mehrere Projekte des Neuen Bauens in Jena realisiert: ein Studentenhaus am Philosophenweg und das Abbeanum von Ernst Neufert, das Zeiss-Planetarium und weitere Industriebauten durch das Jenaer Architekturbüros Schreiter & Schlag, sowie Bauten im Zeiss-Hauptwerk von Emil Fahrenkamp.  

Text: Doris Weilandt   

Gießende Hand ©SCHOTT Archiv

Mit der Kaffeemaschine Sintrax wurde in den 1920er Jahren ein Designklassiker in der Firma Schott & Gen. geboren, den Formmeister Gerhard Marcks (1889-1981) noch in der Bauhaus-Töpferei in Dornburg entworfen hat. Das Stück markiert den Beginn einer neuen Ära beim hitzebeständigen Haushaltsglas, an der auch László Moholy-Nagy und der Bauhausschüler Wilhelm Wagenfeld in unterschiedlichen Bereichen beteiligt waren.

Erste Berührungspunkte zwischen der Gestaltungsschule und dem Jenaer Glaswerk gab es zur Bauhausausstellung 1923. In dem von Georg Muche erbauten Versuchshaus am Horn wurden in der Küche neben neuen Keramikserienprodukten von Theodor Bogler auch Backschüsseln von Schott & Gen. gezeigt, die das vom Architekten als Laboratorium für die Hausfrau bezeichnete Gesamtensemble komplettierten. Walter Gropius wendete sich danach mit einem Schreiben an Firmeninhaber Erich Schott und bot ihm eine Zusammenarbeit zur Formverbesserung an.

Doch technologische Fragen, besonders die der Haltbarkeit, ließen das Projekt scheitern. Als Ei des Kolumbus bezeichnete der Glasproduzent aber den Entwurf der Kaffeemaschine Sintrax, die an den Laborgedanken anknüpft. Das beeindruckende Schauspiel, das sich bei der Filtrierung des Kaffees bietet, kann auf dem Wohnzimmertisch beobachtet werden.

Nach dem Weggang von Marcks an die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle begann der Bauhausschüler Wilhelm Wagenfeld (1900-1990) mit moderner Formgestaltung im Glaswerk. Der Kontakt kam nach einem Vortrag im Jenaer Kunstverein zustande, den er zum Thema Maschine und Handwerk hielt. Anders als seine Vorgänger vom Bauhaus machte sich Wagenfeld mit dem Material Glas eingehend vertraut, um die Möglichkeiten des Werkstoffs kennenzulernen. Dabei stellte er fest, dass die konstruktiven Formen des Bauhauses nicht für Glas geeignet sind. Die erste eigene Kollektion, ein komplettes Teeservice, entstand 1931. Seine Teekanne wurde zu einem Designklassiker, der bis heute viele Verehrer hat. Wagenfeld, dem die Erfolge im Jenaer Glaswerk einen Vortrag bei der Glastechnischen Gesellschaft eintrugen, bekam dort das Angebot zur Übernahme der künstlerischen Leitung der Vereinigten Lausitzer Glaswerke. So profilierte er sich in den 1930er Jahren zum Glasgestalter des Jahrhunderts.

László Moholy-Nagy (1895-1946) beschäftigte sich bereits in den letzten beiden Jahren am Weimarer Bauhaus mit Formfragen des Jenaer Glases. Erich Schott engagierte ihn jedoch für die Modernisierung der Werbung. Der Gestalter war am Entwurf für ein zentrales Firmenzeichen ebenso beteiligt wie an dem Schriftzug Jenaer Glas, der lange gebräuchlich war. Das von ihm entwickelte Typo-Foto, eine räumliche Verbindung von Satzschrift und Fotografie, wird zu einem zentralen Werbemedium. Moholy-Nagy schuf Lichtreklame, Schaufensterprojektionen und Werbefilme für das Haushaltsglas, das in dieser Zeit deutliche Umsatzsteigerungen verzeichnen konnte. Vorschläge für Kampagnen und neue Artikel kamen von ihm noch 1937 aus seinen Londoner Exil.

Text: Doris Weilandt

Walter Dexel, Plakat für den Jenaer Kunstverein, 1924 ©Archiv Städtische Museen Jena

Mit der Gründung des Bauhauses im benachbarten Weimar wurde der Jenaer Kunstverein zu einem Forum für die künstlerische Moderne. In Einzel- und Gruppenausstellungen wurden nahezu alle Meister mit ihren neuesten Arbeiten präsentiert. Auch die Vortragstätigkeit erreichte einen Höhepunkt. So sprach der Kunsthistoriker Wilhelm Worringer über Künstlerisches Sehen und Schauen mit besonderer Berücksichtigung der Plastik, Theo van Doesburg als führendes Mitglied der De Stijl-Gruppe referierte unter dem Titel Der Wille zum Stil und Paul Klee entwickelt seine Gedanken Über moderne Kunst während seiner Ausstellung mit Aquarellen.

Ganz wesentlich beeinflusst hat diese Öffnung für die Avantgarde Ausstellungsleiter Walter Dexel als promovierter Kunsthistoriker und dem Konstruktivismus zugetaner Künstler ab 1916. Die Positionen, die er mit Ausstellungen vertrat, waren aber keineswegs unangefochten. Das Bildungsbürgertum der Universitätsstadt stand zwar Neuerungen nicht verschlossen gegenüber, aber die Sehgewohnheiten entsprachen konventioneller Prägung. Besonders die Bilder Paul Klees, die als gegenstandslose Malereien völlig neuartig waren und die in Jena in mehreren Expositionen gezeigt wurden, erregten die Gemüter. So vermerkte Dexel: Etwas leichter wurde die Arbeit, als in den allerersten zwanziger Jahren das Bauhaus in nachbarliche Nähe gekommen war. Man verlor das Gefühl, sozusagen auf einem einsamen Außenposten zu stehen, und sah sich bald in freundschaftliche Beziehungen verflochten nicht nur zu den Meistern des Bauhauses, sondern auch zu vielen anderen....

Im Ausstellungsverzeichnis jener Jahre erscheint nicht nur der Name Klee regelmäßig. Der Kunstverein zeigte Aquarelle von Lyonel Feininger, Plastik, Grafik und Holzschnitte von Gerhard Marcks, Gemälde von Wassily Kandinsky, Bühnenentwürfe und Figurinen von Oskar Schlemmer. Neben den traditionellen Ausstellungen wurden gleichrangig Baukunst, Reklame und Fotographie präsentiert. In dem Vortrag Über moderne Kunst von Klee, 1924 im Prinzessinnenschlösschen gehalten, erläuterte der Künstler seine inneren Beweggründe, die ihn zu einer abstrakten Ausdrucksform führten. Die anwesenden Jenaer waren begeistert und schlossen ihn ins Herz.

1924 entwickelte sich die Ausstellung Neue deutsche Baukunst, in der nahezu alle führenden Architekten des Neuen Bauens vertreten waren, zum Besuchermagneten. Im Jenaer Volkshaus hielt Walter Gropius dazu einen Vortrag unter dem Titel Wohnhaus und Hausgerät des modernen Menschen. Die Kontakte zum Bauhaus rissen auch nach der Vertreibung aus Weimar nicht ab und fanden durch László Moholy-Nagy, Josef Albers, Joost Schmidt, Alexander Schawinski und anderen ihre Fortsetzung.

Text: Doris Weilandt

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